630 Zuhörer erleben „Carmina Burana“
Bentheimer Kammerchor triumphiert mit Jubiläumskonzert bei Bentec
Imposantes Chorwerk in der Werkshalle: Komplett freigeräumt hatte Bentec die riesige Montagehalle für die Aufführung von Carl Orffs „Carmina Burana“.
114 Sängerinnen und Sänger, 72 Orchestermusiker, 24 Knaben, drei Solisten: Ein flammendes Konzert hat am Sonntagnachmittag das Werksgelände der Firma Bentec erbeben lassen. 630 Zuhörer genossen Carl Orffs „Carmina Burana“.
Bad Bentheim. Beseelt brachte der Bentheimer Kammerchor im Jubiläumsjahr das größte Konzert in seiner 50-jährigen Geschichte auf die Bühne. In der 60 mal 30 Meter großen Montagehalle an der Deilmannstraße produziert Bentec üblicherweise Bohrantriebe. Mit großem logistischen Aufwand räumte das Unternehmen die komplette Halle leer, sodass 630 Zuhörer hier auf Stühlen Platz nehmen konnten. Über der großen Bühne war professionelle Lichttechnik installiert, die die Aufführung farbig illuminierte. Und so wurde das eine Stunde und zehn Minuten dauernde Konzert zu einem echten Ereignis.
Die Bochumer Symphoniker sorgten in großer Besetzung für die instrumentelle Begleitung, inklusive zwei Konzertflügeln und großem Schlagwerk. Außerdem war der Stadsjongenskoor Oldenzaal mit 24 Jungen zwischen acht und zwölf Jahren dabei, die die Aufführung mit glockenhellem Sopran bereicherten. Drei ausgezeichnete Solisten bestachen nicht nur gesanglich, sondern bewiesen überraschend auch schauspielerisches Talent: Sopranistin Sharon Kempton und Bariton Joachim Goltz sind in Bad Bentheim bereits gut bekannt. Wegen einer Erkrankung sprang am Sonntag kurzfristig Tenor Jud Perry ein, der eigens aus Regensburg gekommen war. Alle drei trugen sehr expressive, stimmlich fordernde Partien vor: hochprofessionell, virtuos, formvollendet.
Das aufwändige Konzert unter der exzellenten Führung von Dirigent Elmar Sebastian Koch war gut durchdacht und geplant: Verdientermaßen belohnten minutenlanger stehender Applaus und Bravorufe die Akteure. Für die „Carmina Burana“ probten die Mitglieder des 1964 gegründeten Kammerchores in den vergangenen Monaten intensiv. Dafür schlossen sich dem Chor 40 neue Sängerinnen und Sänger an, viele von ihnen aus den Niederlanden.
Das Stück ist trotz vieler Motive und Variationen musikalisch eingängig, fordert die Sänger aber hinsichtlich Kondition und Konzentration. Die „Carmina Burana“ sind sehr abwechslungsreich, der Chor singt fast ständig und hat nur wenige Pausen. Das Werk umfasst enorme Textmengen und wird auf Latein, Mittelhochdeutsch und Altfranzösisch gesungen. Das Publikum hatte im Programmheft dankenswerterweise die deutsche Übersetzung der „Lieder aus Benediktbeuren“ und konnte so inhaltlich gut folgen. Für den Chor hatte Dirigent Koch alle Lieder in Lautschrift transkribiert, damit die fremden Sprachen für alle singbar wurden.
Kammerchor lässt Werkshalle „erbeben“
Bei den „Carmina Burana“ handelt es sich um eine szenische Kantate, die Carl Orff 1935/36 komponierte. Die Texte dazu, Spottlieder und Gesänge, sind bereits im 11. und 12. Jahrhundert entstanden. Eingerahmt wird das Werk von einem mächtigen Chor zu Ehren der Schicksalsgöttin Fortuna. Und damit ließ der Bentheimer Kammerchor die Werkshalle zu Beginn und zum Schluss wahrhaft erbeben. Musikalisch ist das Werk von raffinierter Schlichtheit: Es betont die Harmonien und setzt auf die Kraft seiner Melodien. In drei Teilen schildert es eine Frühlingsfeier („Primo vere. Ûf dem anger“), das Lob des Essens und Trinkens („In taberna“) und ein ritterliches Liebesfest voller Erotik („Cour d’amour“). Und so kommt die Musik mal zart und kokett, mal übermütig tänzerisch, dann wieder wild und ekstatisch daher.
Typisch für die Musik des Mittelalters erklang oft ein tiefer Halteton zur Begleitung der Melodie. Für imposante Klänge sorgten Streicher, Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte, Hörner, Trompeten, Posaunen, Tuba und zwei Flügel. Wie bei Orff vorgesehen, überraschte das variantenreiche Schlagzeug: Pauken, Trommeln, Triangel, Becken, Ratsche, Kastagnetten, Xylophon und Glocken setzten klangliche Akzente. Sehr gelungen gestaltete sich das Wechselspiel zwischen Musikern und Sängern, Akzentuierungen gelangen piano und fortissimo. Die Chorstimmen überzeugten auch einzeln in vielen Einsätzen. Als Zugabe erklang das pralle, fröhliche Liebeslied 22 „Tempus est iocundum“ gemeinsam von allen Sängern – und spiegelte noch einmal eindrucksvoll die Fülle und Buntheit des gesamten Werkes.
Dass ein Industrieunternehmen wie Bentec den Aufwand nicht scheute, seinen Betrieb für eine solch opulente Aufführung zu öffnen, verdient Anerkennung. Transferbusse brachten das Publikum über das weitläufige Gelände direkt zur Konzerthalle. Gefeiert hat der Kammerchor am Sonntagabend übrigens nur sehr kurz. Unmittelbar nach der Aufführung mussten Bühne, Licht und Stühle ab- und die Anlagen für die Bohrantriebe wieder aufgebaut werden. Am Montag um 6 Uhr begann bei Bentec die reguläre Schicht – und nichts erinnerte mehr an das großartige Konzert, das hier wenige Stunden zuvor erklungen war.
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